C2C Beschaffung

Kommunale Beschaffung: Hebel für sozial-ökologische und zirkuläre Transformation

  • Die Marktmacht der öffentlichen Beschaffung
  • Politische Zielsetzungen: Green Deal und Sustainable Development Goals
  • Vergaberechtliche Möglichkeiten für sozial-ökologische Kriterien
  • Bedeutung von kommunalen Pilotprojekten
  • Zukunftsfähige Beschaffungsstrategie

Spätestens seit Verabschiedung des European Green Deal ist klar: In der EU sowie auf Bundesebene ist das übergeordnete politische Ziel, Wirtschaftssysteme angesichts der Klima- und Ressourcenkrise zukunftsfähig zu gestalten. Der erklärte Weg dahin ist die Transformation unserer linearen Wirtschaft in eine zirkuläre Kreislaufwirtschaft. Ein enormer Hebel dafür ist auch in Deutschland die öffentliche Beschaffung. Schätzungen zufolge beträgt das Volumen, für das Bund, Länder und Kommunen jährlich einkaufen zwischen 350 und 500  Mrd. Euro1. Das entspricht rund 15 % des BIPs2. Circa 40 – 60% dieses Beschaffungsvolumens ist dabei wiederum in Verantwortung von Kommunen als Teil der öffentlichen Hand3 (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Anteil der kommunalen Beschaffung am Bruttoinlandsprodukt
Abbildung 1: Anteil der kommunalen Beschaffung am Bruttoinlandsprodukt

Die zu beschaffenden Güter und Dienstleistung erstrecken sich auf die unterschiedlichsten Produktgruppen: von Reinigungsmitteln, Büromaterial, Möbel, Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), Fahrzeugen, Grünanlagen und ihre Pflege über Textilien wie Berufsbekleidung und Lebensmittel bis hin zu Neubau und Sanierung von Gebäuden und Straßen. Darunter befinden sich zahlreiche Produktgruppen, die in Bezug auf Ökologie, Soziales und Arbeitsschutz entlang der Wertschöpfungskette besonders sensibel sind, wie etwa IT, Textilien, landwirtschaftliche Produkte wie Kaffee, Tee sowie Kakao oder Natursteine. 

Die positiven Effekte einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung erstrecken sich auf positive soziale Effekte wie lokale und globale Arbeitsbedingungen, z.B. die Eindämmung von Kinderarbeit und Zwangsarbeit, sowie Umwelteffekte wie die Kreislauffühung von Ressourcen und die Einsparung von Treibhausgasemissionen. Aber auch darüber hinaus hat eine sozial-ökologisch und zirkulär ausgerichtete öffentliche Beschaffung zahlreiche positive gesamtgesellschaftliche Effekte: Sie beeinflusst die Märkte durch ihre Nachfrage nach sozial-ökologischen und kreislauffähigen Produkte und kann zu Kostenersparnissen durch lebenszyklusbasierte Kostenberechnungen führen. Nicht zuletzt kann die öffentliche Hand darüber ihre wichtige Vorbildrolle gegenüber Wirtschaft und Verbraucher*innen in Bezug auf sozial-ökologische Wirtschafts-, Produktions- und Konsumtrends wahrnehmen4

§ RECHTLICHER RAHMEN §
Die 2016 umgesetzte Reform des Vergaberechts bestätigt ausdrücklich die Möglichkeit, umweltbezogene und soziale Aspekte im Vergabeprozess zu berücksichtigen. Demnach werden bei “der Vergabe […] Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieser Verfahrensordnung berücksichtigt“5. Darüber hinaus verpflichtet das Kreislaufwirtschaftsgesetz die öffentliche Hand zur Beschaffung von umweltfreundlichen Produkten. Darunter fallen nach Definition des Gesetzes langlebige, reparaturfreundliche und wiederverwertbare Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen oder Rezyklaten6.

Weiteren politischen Rückenwind gibt die Agenda 2030 der Vereinten Nationen: Den darin formulierten 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (“Sustainable Development Goals”, kurz: “SDGs”) stimmte auch Deutschland zu und verpflichtete sich dadurch einer nachhaltigen Entwicklung. Im Kontext des SDG 12 – die Sicherstellung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster – wird explizit die öffentliche Beschaffung genannt: Punkt 12.7 bezieht sich auf die „Förderung nachhaltiger Praktiken im öffentlichen Beschaffungswesen in Übereinstimmung mit den nationalen Politiken und Prioritäten“.

Bei der Umsetzung einer sozial-ökologischen und zirkulären kommunalen Beschaffung kommt insbesondere dem Beschaffungspersonal eine wichtige Rolle zu. Wenn sozial-ökologische Kriterien frühzeitig mitgedacht werden und die Möglichkeiten des Vergaberechts ausgeschöpft werden, um diese Kriterien zu implementieren, kann die öffentliche Vergabe zum strategischen Instrument für Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie faire Arbeitsbedingungen im Produktionsprozess werden. Auf diese Weise können Innovationen gefördert und sozial-ökologische Transformationsprozesse beschleunigt werden7.

Auch einzelne Kommunen können bereits einen Unterschied bewirken. Pilotprojekte zu sozial–ökologischer Beschaffung können große Strahlkraft auf die Märkte entfalten. Indirekt kann sozial-ökologische Beschaffung Produktentwicklungen anstoßen und die Nachfrage nach nachhaltigen Produktalternativen erhöhen8. Je mehr Kommunen konsequent nachhaltig, fair und innovativ beschaffen, desto bedeutender wird der Einfluss  auf die Wirtschaft. 

Wichtig ist dabei ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsverständnis, das sowohl ökologische, soziale, zirkuläre und gesundheitliche als auch innovative Aspekte umfasst, damit die Beschaffung wirklich zukunftsfähig wird und nicht nur in Teilaspekten die negativen Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns reduziert. Einen solchen Ansatz bietet das Cradle to Cradle-Konzept.