Ziel der Marktrecherche ist der Abgleich der Wunschkriterien mit dem Marktangebot, um einschätzen zu können, wie streng und an welcher Stelle C2C-Kriterien an das Produkt gestellt werden können, um noch ausreichende Angebote zu erhalten. Es wird also darauf abgezielt, den Auftragsgegenstand sowie die gewünschten C2C-Kriterien für die Vergabeunterlagen möglichst konkret zu definieren (Abbildung 6).
Für kleinere Beschaffungen ist eine Internetrecherche oftmals ausreichend. Umfangreiche oder komplexere Beschaffungen, mit größeren ökologischen oder ökonomischen Auswirkungen, erfordern oftmals eine intensivere Recherche, bei der auch potenzielle Bietende mit einbezogen werden können. Beschaffungen von sozial oder ökologisch sensiblen Produktgruppen, langfristige Beschaffungen oder solche mit einer großen Strahlkraft erfordern eine intensivere Vorabrecherche. Genauso kann eine ausführlichere Recherche notwendig sein, wenn das die erste Beschaffung dieser Art in der Kommune ist und keine Erfahrungswerte existieren.
Recherche zu C2C-zertifizierten Produkten:
Gibt es bereits C2C-zertifizierte Produkte in dieser Produktgruppe am Markt? Gibt es bereits Unternehmen mit C2C-Erfahrung in der Produktbranche? Hier können unter anderem die Datenbanken vom Products Innovation Institute18 und c2c-centre.com19 hilfreich sein. Welche Kriterien erfüllt das zertifizierte Produkt in Bezug auf die Unterkategorien Materialgesundheit, Kreislauffähigkeit, Saubere Energie & Klimaschutz, Wasser- und Bodenmanagement und soziale Verantwortung? Für eine weitere Recherche und die anschließende Formulierung der Vergabeunterlagen kann eine nähere Betrachtung der Eigenschaften bereits zertifizierter Produkte hilfreich sein.
Recherche nach Unterkategorien:
Eine tiefere Recherche nach den einzelnen in der Bedarfsanalyse definierten C2C-Aspekten kann vor allem dann hilfreich sein, wenn es keine oder nur wenige zertifizierte Produkte auf dem Markt gibt. Wenn ökologisch oder sozial kritische Aspekte identifiziert wurden, sollte nach entsprechenden Lösungen am Markt gesucht werden (siehe Tabelle 3). Einen guten Überblick über Lösungen in der jeweiligen Branche können z.B. Branchenverbände geben. Aber auch Messebesuche können ggf. bei großen Anschaffungen hilfreich sein, um Marktkenntnisse zu erweitern20.
Vergleichbare Nachweismöglichkeiten finden:
Welche Siegel existieren, die dem C2C-Ansatz für die entsprechende Produktgruppe in den einzelnen Unterkategorien nahekommen, wenn es noch nicht ausreichende zertifizierte Produkte gibt?
Einen Überblick über die Vielzahl an Siegel können verschiedene Online-Angebote geben:
Kommunikation von Bedarfen in den Markt
Es kann hilfreich sein, den Bedarf inkl. der gewünschten C2C-Kriterien frühzeitig (noch vor der eigentlichen Beschaffung) in den Markt zu kommunizieren, um Anreize zu schaffen und Entwicklungsspielraum zu geben.
Gibt es möglicherweise Unternehmen, die die C2C-Wunschkriterien an das Produkt langfristig ermöglichen können? An dieser Stelle können auch Sondierungsgespräche mit langjährigen Vertragspartnern geführt werden. Dabei ist jedoch stets darauf zu achten, dass die potentiellen Bieter*innen gleich behandelt werden. Insbesondere ist ein Zuschnitt des Vergabeverfahrens auf bestimmte Anbieter*innen zu vermeiden, wenn hierfür keine sachlichen Gründe vorliegen. Ferner ist zu vermeiden, dass einzelne potentielle Bieter*innen einen relevanten Informationsvorsprung durch Vorgespräche erlangen. Dem kann unter Anderem dadurch begegnet werden, dass über Vorgespräche und Marktdialoge Protokolle angefertigt werden, die im Rahmen des Vergabeverfahrens dann allen interessierten Bieter*innen zur Verfügung gestellt werden.
Umfragen zur Machbarkeit gewünschter Kriterien
Je nach Umfang der Beschaffung und Intensität der Marktrecherche kann mit den in Frage kommenden Bietenden in Kontakt getreten werden, beispielsweise in Form telefonischer oder digitaler Umfragen. Diese können einerseits dazu dienen, Cradle to Cradle und die gewünschten Kriterien in den Markt zu kommunizieren. Andererseits kann dadurch die Realisierbarkeit der gewünschten Kriterien besser eingeschätzt werden. Hier sollte darauf geachtet werden eine ausreichende Anzahl (das Gesetz impliziert mindestens 3) an Unternehmen zu kontaktieren, um nicht marktdiskriminierend zu agieren!
Workshops & Marktdialoge:
Informationsveranstaltungen oder Workshops mit dem Beschaffungspersonal und/oder den zukünftigen Nutzer*innen (vor allem bei umfangreichen Beschaffungsvorhaben) fördern Akzeptanz und ein Verständnis für die Vorteile von Beschaffungen nach Cradle to Cradle.
Auch ein sog. Marktdialog kann insbesondere bei umfangreichen Beschaffungsvorhaben ein wertvolles Instrument im Rahmen der Marktrecherche sein. In diesem Rahmen kann die Vergabestelle noch vor dem eigentlichen Vergabeverfahren einen Überblick über potenzielle Anbieter sowie Marktinnovationen erlangen und sich mit Unternehmen der Branche über die Machbarkeit von möglichen (C2C-)Kriterien im Kontext des Beschaffungsbedarf austauschen. Der Leitfaden “Sozialorientierte Beschaffung — Ein Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge” (Kapitel 3.2; S. 27)) der Europäischen Kommission21 gibt beispielsweise einen Überblick über die konkreten Umsetzungsmöglichkeiten eines Marktdialogs.
§ TRANSPARENZGEBOT §
Bei den oben aufgeführten Maßnahmen ist es wichtig, dass diese gem. § 97 GWB transparent durchgeführt und für alle potentiell Bietenden ersichtlich sind. So darf keines der Gespräche, kein Workshop o.ä. Informationen beinhalten, die nur dort geäußert werden und den Anwesenden einen Vorteil verschaffen. Alle Schritte sollten sorgfältig dokumentiert und transparent kommuniziert werden.
Auch kann an diesem Punkt im Vergabeprozess eine Aufteilung des Beschaffungsauftrages in Teil- oder Fachlose eruiert werden. Gibt es eventuell mehrere kleine- und mittelständische Unternehmen mit Erfahrung im Bereich Cradle to Cradle, die jedoch keine großen Auftragsmengen bieten können? Dann könnte sich eine mengenbezogene Aufteilung in Teillose des Auftrags anbieten. Besteht der Auftrag aus mehreren Produkten und/oder Dienstleistungen, für die jeweils unterschiedliche Anbieter Lösungen bereitstellen können, kann eine Aufteilung in Fachlose sinnvoll sein.
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