C2C Beschaffung

Vorüberlegungen und Bedarfsanalyse

  • Die richtigen Fragen stellen
  • Alternative Geschäftsmodelle / Product as a Service
  • Was bedeutet C2C für den Beschaffungsbedarf?
  • Sensible Aspekte für Mensch und Umwelt?

Gründliche Vorüberlegungen bei der Bedarfsermittlung und der Konzeption der Bedarfsdeckung, noch vor dem eigentlichen Vergabeprozess, sind ein wichtiger Schritt zur Implementierung von C2C in der Beschaffung (Abbildung 5). An dieser Stelle geht es insbesondere darum die richtigen Fragen zu stellen. Was kann das C2C-Konzept für den konkreten Beschaffungsbedarf bedeuten? Welche sozialen und ökologischen Aspekte – von der Ressourcengewinnung über die Produktion und den Konsum bis hin zur Entsorgung des Produkts – können beim konkreten Beschaffungsbedarf besonders kritisch für Mensch und Natur sein?

Abbildung 5: Vorüberlegungen & Bedarfsanalyse: Die richtigen Fragen stellen
Abbildung 5: Vorüberlegungen & Bedarfsanalyse: Die richtigen Fragen stellen

Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Bedarfs- und Beschaffungsstelle kann in diesem Schritt der Bedarfsanalyse gemeinsam ermittelt werden, ob eine Anschaffung überhaupt notwendig ist und welche Art der Beschaffung sinnvoll sein könnte. Möglicherweise lässt sich der Bedarf durch Auf- oder Umrüstung bereits vorhandener Produkte decken. Häufig wird lediglich der Service, den ein Produkt bietet, benötigt, jedoch nicht unbedingt der Eigentumserwerb des Produkts. Hier bietet sich z. B. die Recherche nach alternativen Geschäftsmodellen an, wie etwa Product-as-a-Service-Konzepte (PaaS). Bei PaaS wird die Dienstleistung eines Produktes anstatt des Eigentums erworben, z. B. in Form eines Abonnements. Ein Drucker oder eine Waschmaschine werden in diesem Modell lediglich genutzt und die Kommune zahlt pro gedrucktem Blatt Papier, pro verbrauchter Tintenkartusche oder pro Waschgang. Eigentümer des Geräts und seiner Ressourcen bleibt jedoch das herstellende oder anbietende Unternehmen. Solche zirkulären Geschäftsmodelle können Materialkreisläufe schließen, da das Produkt und seine verbauten Rohstoffe am Ende der Nutzungsdauer wieder an die produzierenden oder anbietenden Unternehmen zurückgehen und diese damit weiter kalkulieren können. Als Eigentümer der Rohstoffe haben sie einen Anreiz, ihre Produkte qualitativ hochwertig und modular zu gestalten, um defekte Komponenten leicht austauschen zu können und die verbauten Rohstoffe wieder sortenrein voneinander trennen und wiederverwenden zu können. Für Konsument*innen haben solche Modelle den Vorteil, dass teure Wartungs- oder Entsorgungskosten meist nicht vorkommen bzw. im Service inkludiert sind und das Produkt je nach Bedarf ohne großen Aufwand austauschbar und somit auf den jeweiligen Bedarf anpassbar ist. 

Design spielt bei der Auswahl von Produkten eine große Rolle und kann sich in der Praxis sogar auf die Nutzungsdauer auswirken. Die Entscheidung für ein einheitliches Design bei Büromöbeln trägt beispielsweise zu einer größeren Bereitschaft innerhalb des Personals bei, die Möbel bei Bedarf untereinander auszutauschen, statt neu zu beschaffen. Dieser Aspekt sollte ebenfalls in die Vorüberlegungen einfließen.

Besonders bei größeren Beschaffungsvolumina (z. B. bei mehrjährigen Rahmenverträgen) sollte ausreichend Zeit in die Vorbereitung und Ausarbeitung der gewünschten Kriterien investiert werden, da bei solchen Aufträgen ein großes Einflusspotenzial auf bietende Unternehmen und den Markt besteht. Durch eine detaillierte Marktrecherche können neben den Marktführern auch kleine und mittelständische Unternehmen mit innovativen, sozial-ökologischen und zirkulären Alternativangeboten gefunden werden. 

Diese Vorüberlegungen noch vor dem eigentlichen Vergabeprozess sind ein bedeutender Hebel zur Implementierung von C2C-Aspekten. Denn hier wird festgelegt was Cradle to Cradle im Kontext des Beschaffungsbedarfs bedeutet und welche Zielkriterien sich daraus ergeben müssen. Wie im Kapitel zu strukturellen Rahmenbedingungen aufgeführt, ist ein Grundverständnis des C2C-Konzepts oder Unterstützungsmöglichkeiten z. B. über eine interne oder externe Kompetenzstelle für sozial-ökologische Beschaffung hier sehr hilfreich.

Anmerkung: Der folgende Inhalt zu Vorüberlegungen zur Identifikation von gewünschten Produkteigenschaften orientiert sich einerseits an dem C2C-Verständnis von C2C NGO sowie den Zertifizierungskriterien des C2C-certified-Standards.

Zu Beginn sollte das  Nutzungsszenario des Produktbedarfs betrachtet werden. Wird das Produkt verbraucht, sodass Bestandteile z. B. durch Abrieb in die Umwelt gelangen könnten? Dann sollten das Produkt oder die sich verbrauchenden Bestandteile für den biologischen Kreislauf designt und biologisch abbaubar sein. Wird das Produkt für das Nutzungsszenario Hautkontakt oder Innenräume benötigt, sollte die Produktzusammensetzung entsprechend unschädlich für Haut oder Atemluft sein. Gebrauchsprodukte, deren Bestandteile keinen Kontakt mit Mensch und Umwelt haben und sich nicht verbrauchen, können für einen technischen Kreislauf designt sein. All ihre Bestandteile sollten sortenrein trennbar und ohne Qualitätsverlust recycelbar und/oder wiederverwendbar sein.

C2C Kreislauf Biosphäre und Technosphäre
Abbildung 3: Biologischer und technischer Kreislauf (c) C2C NGO

Produktbeispiel Reinigungsmittel:

Reinigungsmittel gelangen durch das Abwasser in die Umwelt. Sie können zudem bei der Nutzung eingeatmet werden oder in Hautkontakt gelangen.  Dementsprechend sollte die Zusammensetzung für die Biosphäre konzipiert, sprich vollständig biologisch abbaubar sein. Die Kunststoffverpackung des Reinigungsmittels kann wiederum für den technischen Kreislauf designt sein und sollte ohne Qualitätsverlust recycelbar oder direkt wiederverwendbar sein.

Im Anschluss sollten die für Mensch und Natur sensiblen Aspekte entlang des gesamten Produktlebenszyklus recherchiert werden. Welche sozialen oder ökologischen Risiken birgt die Produktgruppe? Jede Produktgruppe hat möglicherweise andere kritische Aspekte, die aus C2C-Perspektive berücksichtigt werden sollten.

Auf Grundlage dieser sensiblen Aspekte können wiederum wünschenswerte C2C-Aspekte und Produkteigenschaften definiert werden, die in der anschließenden Marktrecherche geprüft und spezifiziert werden.

Tabelle 1 ist eine beispielhafte Denkhilfe zu den C2C-Kategorien mit Beispielen für daraus folgende Ziele im Beschaffungskontext.

Tabelle 1: Beispiel C2C Ziele im Kontext der Beschaffung
Tabelle 1: Beispiel C2C Ziele im Kontext der Beschaffung

Die Expertise von Forschungsinstituten oder NGOs kann bei der Identifizierung potenzieller Risiken helfen16. Ob ein Produkt rechtlich vom jeweiligen Bundesland als sensibel eingestuft wird und welche Praxisbeispiele für sozial-ökologische Beschaffung bereits existieren, zeigt zum Beispiel das Vergabetool von Kompass Nachhaltigkeit

Anmerkung: Hier sind größtenteils Beispiele nachhaltiger oder fairer Beschaffung gesammelt, die oft lediglich Teilaspekte des C2C-Ansatzes umfassen (Kreislauffähigkeit oder Materialgesundheit spielen in den Praxisbeispielen beispielsweise oft noch keine bedeutende Rolle).

Für eine langfristige Implementierung von C2C-Beschaffung sollte außerdem auf die Akzeptanz der Produkte bei den zukünftigen Nutzer*innen geachtet werden. Es bietet sich an bereits in den Vorüberlegungen potenzielle Nutzer*innen sowie deren Ansprüche zu identifizieren oder ggf. abzufragen, um diese ebenfalls in der Marktrecherche berücksichtigen zu können.

Das C2C-Konzept zielt auf Lösungen mit positivem Mehrwert ab. Im Kontext der Beschaffung bedeutet das, dass Vergabekriterien nicht nur die Verringerung kritischer Aspekte zum Ziel haben sollten, sondern möglichst einen positiven Mehrwert für Mensch und Umwelt fordern sollten. So kann der Boden für Krankenhäuser auch antibakteriell sein und der Teppichboden in Kindergärten die Luft reinigen. Diese Ideen können im Kontext der Marktrecherche geprüft und spezifiziert werden.  

Die folgende Checkliste ist eine grobe Hilfestellung, um kritische Aspekte sowie Produkteigenschaften nach C2C herauszuarbeiten. Die Antworten auf diese Fragen dienen als Grundlage für die anschließende Marktrecherche.

Checkliste für die Bedarfsermittlung nach C2C

Notwendigkeit der Beschaffung:

  • Ist die Beschaffung notwendig?
  • Kann der Bedarf mit vorhandenen Produkten oder durch Um-/Auf-/ oder Nachrüstung gedeckt werden?


Service statt Eigentum:

  • Gibt es eine Option, das Produkt bzw. die Leistung zu mieten, zu leihen oder zu abonnieren, statt zu kaufen?


Nutzungsszenario:

  • Ist das Produkt ein Gebrauchsprodukt oder ein Verbrauchsprodukt? (siehe C2C Einführung)
    • Wird das Produkt oder Teile davon verbraucht und gelangt in die Umwelt oder in direkten Kontakt mit Menschen (Beispiel: Textilien oder Reinigungsmittel)? Dann sollten das Produkt oder die entsprechenden Komponenten für die Biosphäre konzipiert sein.
    • Handelt es sich um ein Gebrauchsprodukt, ohne möglichen Partikelverlust in die Umwelt (z. B. die Verpackung eines Reinigungsmittels oder ein Bürostuhl)? Dann sollte das Produkt für einen technischen Kreislauf designt sein, in dem die Materialien zurückgewonnen und wiederverwendet werden (z. B. durch ein Rücknahme- oder Mehrwegsystem)
  • Besteht das zu beschaffende Produkt aus mehreren Rohmaterialien, die nach der Nutzung sortenrein wiedergewonnen werden sollten?
  • Hat das Produkt eine energieintensive Produktion und/oder Nutzung?
  • Ist im Rahmen der Beschaffung ein Rücknahmesystem seitens des herstellenden oder anbietenden Unternehmens sinnvoll, um die Produkte nach ihrer Nutzung wieder als Rohstoff verwenden zu können?


Zielgruppe:

  • Für welche Zielgruppen bzw. potenziellen Nutzer*innen wird beschafft?
  • Welche Ansprüche hat die Zielgruppe an den Beschaffungsgegenstand? 


Eigenschaften aufgrund kritischer Aspekte der Produktgruppe:

  • Was sind ökologisch und sozial kritischen Aspekte dieser Produktgruppe, auf die aus C2C-Perspektive besonders geachtet werden sollte?
    Anmerkung: Auf der Plattform Kompass Nachhaltigkeit findet man eine Übersicht zu häufigen Risiken verschiedener Produktgruppen.
  • Könnte das Produkt Materialien oder Prozesschemikalien beinhalten, die schädlich für Mensch und/oder Umwelt sein könnten? 


Anmerkung: Es sollten keine Chemikalien der “Cradle to Cradle Restricted Substances List 17 verwendet werden.

  • Werden Rohstoffe, Komponenten oder das Produkt in einem Land mit unzureichenden Arbeitsbedingungen abgebaut oder produziert?
  • Gibt es möglicherweise kritische Aspekte, die während oder nach der Nutzung des Produkts zu beachten sind? (z. B. in Bezug auf die Materialgesundheit wie VOCs (gesundheitsschädliche flüchtige organische Verbindungen) oder in Bezug auf die Rezyklierfähigkeit oder Lagerung?