C2C Beschaffung

Möglichkeiten zur Implementierung von Cradle to Cradle in der kommunalen Beschaffung

Anmerkung: Die folgenden Kapitel basieren auf zwei Forschungsarbeiten, die sich mit der Funktionsweise, Treibern, Hemmnissen sowie Auswirkungen  einer ökosozial und zirkulär ausgerichteten kommunalen Beschaffung befassen. Treiber und Barrieren sowie Voraussetzungen und Instrumente sind Ergebnisse aus Expert*inneninterviews und der Analyse von Fachliteratur. Die Abschlussarbeiten sind hier öffentlich zugänglich.

Strukturelle Rahmenbedingungen schaffen

  • Beschaffungspersonal befähigen
  • C2C-Kompetenzstellen als Schnittstellen zwischen Bedarfs- und Beschaffungsstelle
  • Beschaffungsstrategie mit klaren Zielvorgaben
  • Dienstanweisungen
  • Investition in die Umsetzung
  • Standardisierung von Vergabeunterlagen
  • E-Vergabe-Tools
  • Langfristige Denkweise / Fokus auf reale Preise
  • Verknüpfung von Beschaffung mit strategischer Haushaltssteuerung
  • Kommunikation und Erfahrungsaustausch

Ein Blick in Forschung und Praxis zeigt, dass gewisse strukturelle Rahmenbedingungen die Implementierung von Cradle to Cradle in kommunalen Beschaffungsprozessen grundlegend begünstigen können.

Zu den größten Hebeln für C2C-orientierte Beschaffung zählen Wissen, Kompetenzen und Bewusstsein sowie oft die intrinsische Motivation der individuellen Beschaffer*innen. 

Dieses Know-how umfasst idealerweise:

  • Verständnis für die Implementierungsmöglichkeiten sozial-ökologischer Beschaffung und das Wissen, wo juristische oder fachliche Hilfe zu finden ist. 
  • Kenntnis über aktuelle Produktentwicklungen,  Innovationen und Alternativen am Markt
  • Cradle to Cradle-Verständnis und die kritischen Kriterien der jeweiligen Produktgruppen

 

Die intrinsische Motivation des Beschaffungspersonals sollte verwaltungsintern durch Empowerment, Sichtbarkeit und Wertschätzung gegenüber diesem komplexen und wichtigen Berufsfeld gefördert werden, beispielsweise durch attraktive Arbeitsbedingungen.

Diese Kompetenzen müssen nicht zwangsläufig bei einer einzelnen Person liegen. Interdisziplinäre Teams (z. B. Arbeitsgruppe zu C2C-Beschaffung) können Kenntnisse und Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen bündeln. Gemeinsam können Strategien ermittelt werden, um die Vergabe an die internen Verwaltungsstrukturen anzupassen. 

Investitionen in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden z. B. in Form von Schulungen durch (externe) Expert*innen können Bewusstsein und Sicherheit geben. Einen Überblick über Schulungen und Veranstaltungen zum Thema sozial-ökologische Beschaffung gibt etwa die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung des Bundesministerium für Inneres und für Heimat (BMI).

C2C-Kompetenzstellen als Schnittstellen zwischen Bedarfs- und Beschaffungsstellen, die fundierte Kenntnisse über Cradle to Cradle und sozial-ökologische Beschaffung mitbringen, können eine weitere wertvolle interne Investition sein. Die Stadt Ludwigsburg hat beispielsweise eine interne Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung geschaffen, welche die dezentralen Vergabestellen bei der Umsetzung von C2C in der Vergabe unterstützt. 

Eine konkrete Beschaffungsstrategie mit klaren sozialen, ökologischen sowie innovativen Zielvorgaben im Sinne des Cradle to Cradle-Konzepts gibt politische Rückendeckung und mehr Sicherheit für das Beschaffungspersonal. Eine solche Strategie kann etwa durch Ratsbeschlüsse oder Dienstanweisungen beschlossen oder als interne Verwaltungsvorschrift umgesetzt werden. Klare Zielvorgaben helfen dabei, C2C-Aspekte standardmäßig bei allen Beschaffungsprozesse mitzudenken. 

PRAXISBEISPIEL LUDWIGSBURG 

Eine Vorreiterrolle für kommunale Beschaffung nach dem C2C-Ansatz nimmt die Stadt Ludwigsburg ein: Seit 2018 richtet die Kommune ihre Beschaffung grundsätzlich nach dem Cradle to Cradle-Konzept aus14.  In einer Dienstanweisung zur nachhaltigen Beschaffung wurde festgelegt, dass C2C-Kriterien bei jeder Beschaffung verpflichtend zu berücksichtigen sind und mindestens 20 % der Zuschlagskriterien einen Bezug zu C2C haben müssen. Um die Berücksichtigung von C2C in allen Vergaben zu gewährleisten, muss die Nichtanwendung der Dienstanweisung schriftlich begründet werden. Zur Unterstützung der Fachbereiche bei der Umsetzung hat die Kommune eine interne Kompetenzstelle für nachhaltige C2C-Beschaffung geschaffen15.

Eine schrittweise Implementierung der C2C-Kriterien in die Beschaffungspraxis kann insbesondere für kleinere Kommunen im Rahmen ihrer oft begrenzten Kapazitäten hilfreich sein. So kann C2C zunächst durch kleine und vergleichsweise einfache Umstellungen eingebracht und  dann Schritt für Schritt auf andere Produktgruppen ausgeweitet werden. Die Praxis zeigt beispielsweise, dass Büromaterial oder Reinigungsmittel aufgrund der größeren Verfügbarkeit von C2C-zertifizierten Produkten einfacher nach C2C zu beschaffen sind als z. B. IT-Produkte. Durch eine schrittweise Implementierung kann in der Verwaltung allmählich Verständnis aufgebaut werden, was C2C für alle zu beschaffenden Produktgruppen bedeuten und wie die Umsetzung in weiteren Produktgruppen gelingen kann. 

Standardisierte Vergabeunterlagen sind eine weiterer bedeutender struktureller Hebel für eine vereinfachte C2C-Beschaffung. Ein einheitlicher und übersichtlicher Aufbau der Vergabeunterlagen erleichtert bietenden Unternehmen den Zugang. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, die keine eigene Abteilung für die Bearbeitung von Vergabeverfahren haben, können so den Sachverhalt der Ausschreibung schneller erfassen und entscheiden, ob diese für sie relevant ist.

Die Einführung von E-Vergabe über die Nutzung von elektronischen Vergabetools (beispielsweise über die Vergabeplattform des Bundes) kann eine Standardisierung fördern. Die digitale Bereitstellung und das einheitliche Verfahren garantieren eine effizientere Vorgehensweise. Außerdem kann in einem digitalen Einkaufskatalog nach Schlagworten gefiltert werden bzw. kann man sozial-ökologische und zirkuläre Alternativen bevorzugt anzeigen lassen.

In der Beschaffungspraxis liegt der Fokus für die Vergabeentscheidung oft beim Anschaffungspreis, wodurch sozial-ökologische oder zirkuläre Lösungen oft teurer erscheinen. Studien (wie z. B. des Öko-Instituts) belegen, dass umweltfreundlichere Alternativen bei der Berücksichtigung von realen Preisen, wie Lebenszykluskosten sowie negativer externer Effekte (sog. True Costs), auf die Nutzungsdauer gesehen oft günstiger sind. Um dementsprechend das “wirtschaftlichste” Angebot auszuwählen sollte eine langfristige Denkweise unter Berücksichtigung aller Kosten über den Lebenszyklus der Anschaffung für alle Beschaffungsprozesse implementiert werden. Da Lebenszyklen von Produkten oder auch Gebäuden oft länger ausfallen als Legislaturperioden oder Haushaltsjahre, sollte diese langfristige Denkweise auch mit der strategischen Haushaltssteuerung verknüpft werden.

Eine Bündelung von Beschaffungsbedarfen mit anderen Vergabestellen (innerhalb der Kommune oder in Einkaufsgemeinschaften mit anderen Kommunen (z. B.  durch Rahmenverträge) verringert den Aufwand, vergrößert die Marktmacht und kann zu geringeren Anschaffungspreisen führen.

Der Austausch in Netzwerken sowie  Leitfäden und Erfahrungsberichte anderer Kommunen können darüber hinaus wesentliche Treiber für C2C-inspirierte öffentliche Beschaffung sein.

Eine Auflistung von Netzwerkmöglichkeiten sowie Praxisbeispielen sind im Kapitel “Hilfestellungen & Unterstützung” zu finden.